Ein Interview mit Stefan Roetzel vom Science Park Kassel

Ein Interview mit Stefan Roetzel vom Science Park Kassel

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Wir brauchen mehr Dynamik und Kreativität

Stefan Roetzel leitet die Innovationsberatung in der Science Park Kassel GmbH, dem Innovations- und Gründungszentrum der Universität Kassel. Mit seinem Background im Systemdesign und Wissens- und Technologietransfer unterstützt er Forschende, Gründende, Unternehmen und Teams dabei, neue Anwendungen und Geschäftsmodelle zu entwickeln. Vor allem der Transfer-Flow zwischen Wissenschaft und Praxis ist ihm wichtig. Sein Thema beim Koordinierungstreffen des DaWeNa-HUBs am 8. Oktober in Kassel: „Wie Wissenschaftler:innen ihr Transferverständnis dynamisch und agil auf alle Transferpfade ausrichten können.“

Was bedeutet für dich Transfer-Flow?
Traditionell wird Transfer oft als Einbahnstraße verstanden: Erst wird geforscht, dann werden Ergebnisse veröffentlicht. Wir brauchen ein dynamisches, dialogorientiertes Verständnis. Wissenschaft sollte früh mit Unternehmen, Kommunen und potenziellen Anwendern in Austausch treten, um relevante Fragestellungen gemeinsam zu entwickeln. Es kann nicht nur darum gehen, Wissen zu vermehren, sondern dieses „vom Wissen geleitete Können“ in die passenden Anwendungen zu bringen.

Kannst du gelungenen Transfer mit einem Beispiel veranschaulichen?
Ein Forschungsteam der Universität Kassel hatte an Datenanalysen im Stromfluss industrieller Anlagen geforscht. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter übertrugen dieses Verfahren auf den privaten Haushalt, um durch eine Veränderung im Energieverbrauch dortige Anomalien wie Stürze oder Verhaltensänderungen zu erkennen. Heute hilft diese Technologie in betreuten Wohnanlagen, Pflegekräfte zu entlasten und die Sicherheit zu erhöhen. Solche Beispiele zeigen, wie Forschung, wenn sie kreativ weitergedacht wird, gesellschaftliche Wirkung entfalten kann.

Wie bist du zum Thema Wissens- und Technologietransfer gekommen?
Ich habe Systemdesign an der Universität Kassel studiert. Dabei geht es um systemisches Denken und Handeln. Mich hat von Anfang an die Frage interessiert, wie man Forschung und Wissen so einsetzen kann, dass daraus konkrete Lösungen mit gesellschaftlichem Nutzen und Impact entstehen. Über das Zentrum für Umweltsystemforschung habe ich an Projekten gearbeitet, die etwa Kommunen bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützten. Auch bei den vielen Projekten im Technologietransfer von UniKasselTransfer ging es oft um Beiträge zu einer nachhaltigeren Gesellschaft. Ich wollte diesen Entwicklungsschub durch forschungsbasierte Innovationen unterstützen.

Was ist deine Mission im Science Park Kassel?
2015 haben wir den Science Park eröffnet. Wir sehen uns als Partner von Wissenschaftler:innen, schaffen für sie Räume, Programme und Strukturen, damit sie ihre Forschung in gesellschaftlichen Mehrwert verwandeln können. Dazu gehören Stipendienprogramme für vielversprechende Gründungsideen, Formate zur Skalierung von Innovationen sowie Kooperationen mit Partnern etwa mit dem Hessischen Zentrum für Künstliche Intelligenz oder dem Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft. Mich fasziniert, wie Wissen gesellschaftliche Transformation ermöglicht, sei es durch erneuerbare Energien, Ressourceneffizienz oder digitale Lösungen. Wir haben etwa mit Start-ups gearbeitet, die biobasierte Kunststoffe entwickeln, Präzisionsmesstechnik in Fertigungsanlagen bringen, oder die Energiewende mit neuen Speicherlösungen voranbringen. Wenn man sieht, dass eine Idee aus der Forschung es tatsächlich auf den Markt schafft und Probleme löst, ist das unglaublich motivierend.

Viele Forschende haben kaum Zeit, einen solchen Transfer anzuschieben, weil Lehre und Publikationen Vorrang haben…
Das ist tatsächlich eine große Herausforderung. Nachwuchswissenschaftler:innen sind heutzutage mit vielen Rollen, Ansprüchen und Tätigkeiten überlastet. Deshalb wollen wir zeigen, dass Transfer keine zusätzliche Last sein muss, sondern eine Chance ist. Wir helfen mit pragmatischen Tools und individueller Begleitung. Es gibt in Deutschland großartige Forschung, aber wir brauchen mehr Dynamik und Kreativität im Transfer. Mein Workshop beim Treffen soll dazu einladen, das eigene Mindset und Transferverständnis zu reflektieren, und Anwendungsszenarien mit gesellschaftlichem Impact zu skizzieren, damit forschungsbasierte Innovation ihre Wirkung bestmöglich entfaltet.

Interview: Eva Meschede

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