Agentic AI kann ganze Workflows steuern
Eva Ritz ist promovierte Wirtschaftsinformatikerin und arbeitet seit einem Jahr bei IBM im Bereich Client Engineering. Sie hat einen Bachelor und Master an der Schnittstelle von Business und IT und entwickelte als Start-up eine AI-basierte Lernplattform für die Bauindustrie. In ihrer Promotion erforschte sie, wie Menschen mit AI-Systemen zusammenarbeiten. Heute designt sie mit ihrem Team Client Engineering bei IBM Pilotanwendungen für Unternehmen, berät zu Generativer und Agentic AI. In Ihrem Workshop beim Koordinierungstreffen des DaWeNa-HUBs am 8. Oktober in Kassel gibt sie Antworten auf die Frage: “Welche Potenziale eröffnen neue Trends wie Agentic AI für Organisationen?“
Was sind deine Aufgaben bei IBM Client Engineering?
Unser Team arbeitet eng mit Unternehmen zusammen, um konkrete AI-Projekte zu verwirklichen. Wir entwickeln gemeinsam Proofs of Concepts und Pilotprojekte, setzen diese mit einem interdisziplinären Team innerhalb weniger Wochen um und testen sie in der Praxis. Dabei geht es nicht nur um generative AI, sondern auch um Anwendungen wie Bilderkennung oder agentische Systeme. Parallel organisieren wir Workshops und Bootcamps, um Unternehmen fit für AI zu machen.
Was kann Agentic AI?
Viele kennen generative AI und Large Language Modelle, also Systeme wie Chatbots, die Texte erstellen oder Fragen beantworten. Diese erledigen in der Regel einzelne Anfragen. Agentic AI hingegen kann ganze Workflows steuern. Sie hat ein Gedächtnis und Zugriff zu verschiedenen Tools, was ihr ermöglicht, Aktionen autonom auszuführen und Entscheidungen durch logisches Denken zu treffen. Ein gutes Beispiel ist unser eigenes System bei IBM, das für Mitarbeitende Urlaubsanträge organisiert, Spesen abrechnet und Vorgesetzte oder ein Teammitglied per E-Mail automatisch informiert. Dahinter steckt ein multi-agentisches System. Der Nutzer muss nicht mehr in verschiedene Tools gehen, sondern erledigt alles über ein einziges Interface. Das spart enorm viel Zeit und Ressourcen. In so einem System arbeiten mehrere AI-Modelle und Tools zusammen: Sprachmodelle für die Kommunikation, Schnittstellen zu Unternehmenssoftware wie etwa SAP, Authentifizierungssysteme und mehr. Es ist ein Netz aus spezialisierten AI-Agenten, die gemeinsam Aufgaben erledigen. Die Idee ist, Workflows so nahtlos wie möglich zu gestalten.
Dabei gibt es bestimmt jede Menge Sicherheitsfragen?
Die Sicherheit ist ein sehr zentrales Thema. Wenn AI-Agenten Zugriff auf sensible Systeme und Daten haben, braucht es eindeutige Governance-Regeln. Wir müssen genau definieren, wer auf welche Informationen zugreifen darf. Es darf zum Beispiel nicht passieren, dass ein Mitarbeitender über das System das Gehalt einer anderen Person sieht. Auch Angriffe von außen, etwa über Code- oder Prompt-Injection, müssen ausgeschlossen werden. IBM arbeitet intensiv daran, diese Risiken zu minimieren. Monitoring und Authentifizierung sind dabei entscheidend.
Was erwartet die Teilnehmenden in Ihrem Workshop beim Koordinierungstreffen?
Ich möchte Klarheit schaffen: Viele Begriffe rund um AI sind derzeit im Umlauf, aber oft nicht klar definiert. Ich möchte zeigen, wo der Unterschied zwischen generativer und Agentic AI liegt und warum Agentic AI so viele Potentiale bietet. Dazu bringe ich Beispiele aus unserer Arbeit mit, von internen Tools bis zu Kundenprojekten wie „JuKI“, einem Pilotprojekt des Landratsamts Augsburg, das entwickelt wurde, um Bürgeranfragen zu bearbeiten: Eine webbasierte, AI-gestützte Lösung, die die Arbeitsprozesse in der wirtschaftlichen Jugendhilfe gezielt unterstützt. Und natürlich spreche ich auch über die Herausforderungen: Sicherheit, Governance und Kontrolle.
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit bei Agentic AI?
Agentic AI kann dazu einen großen Beitrag leisten. Sie erzeugt zwar auch viele Daten, hilft aber, diese besser zu managen. Unternehmen haben oft riesige Datenmengen, die nicht strukturiert sind. Agentic AI Systeme können das organisieren, entscheiden, welche Daten noch relevant sind und welche nicht. Das spart Speicherplatz und Ressourcen. Gleichzeitig eröffnen sie neue Möglichkeiten, Produktionsprozesse oder Energieeinsatz zu analysieren und zu optimieren. Nachhaltigkeit ist hier nicht nur ein Schlagwort, sondern ein echter Nutzen.
Interview: Eva Meschede